Montag, 15. September 2014

Ramadas in Concepcion

Pablo am Brot backen, ich mörsere den Knobi



Heute jährt sich der Nicht-Todestag von meinem Mitbewohner Pablo. Vor genau einem Jahr wäre er fast aufgrund einer Messerstecherei umgekommen. Wir haben heute fett gegessen um diesen Anlass zu feiern. Außerdem waren Pablo und Franziska (meine zweite Mitbewohnerin und Pablos Freundin) zusammen mit Angelo, Pablos Bruder, auf dem Markt und haben kiloweise Obst angeschafft. Morgen gibt es nämlich ein Event an der Uni, mitinitiiert von Angelo, das als Gegenveranstaltung zu den Ramadas stehen soll. Es soll ein Fest für die Familie werden, mit Musik, Essen und anderen Vergnügungen. Wir werden einen Stand mit Obstsalat machen und Pablo ist gerade Brot am Backen, um es morgen zu verkaufen.

Ramadas sind jene Veranstaltungen von Studenten auf den Unigeländen, an dem sich letztes Jahr der Angriff auf Pablo zutrug. Da treffen sich tausende Menschen um sich mal richtig volllaufen zu lassen. Unglücklicherweise kommt es dann, meist zu späterer Stunde, immer wieder zu Schlägereien und Ausschreitungen. Nichts Besonderes, würde man denken, es vergeht schließlich auch kein Abend am Oktoberfest ohne dass es zu etlichen Schlägereien kommt. Leider nahm das Ganze aber in den letzten Jahren Ausmaße an, die nicht mehr gutzuheißen sind, wie an Pablos Beispiel zu erkennen ist:

An besagtem Abend war Pablo mit Francisca auf den Ramadas in meiner Uni unterwegs. Eine Stunde nachdem die beiden angekommen sind, spürte Fran plötzlich etwas an ihrer Tasche, sie drehte sich um und erwischte einen Typen der gerade dabei war ihr Handy aus der Tasche zu klauen. Sie versuchte die Aufmerksamkeit der Menschen um sie herum auf sich zu lenken und rief:“Ein Dieb, ein Dieb!“. Aber statt sich aus dem Staub zu machen blieb der Mann einfach stehen und Bestritt alles. Er wurde plötzlich sogar agressiv und fing an Pablo und Fran zu beleidigen. Die beiden ließen sich aber nicht aus der Ruhe bringen und wiesen ihre Mitmenschen darauf hin, dass der Mann versucht hatte sie auszurauben. Da nahm der Kerl plötzlich ein Glas Bier und schüttete es Fran ins Gesicht. Das war zu viel für Pablo, ihm hätte es weniger ausgemacht, wenn er selbst überschüttet worden wäre, aber dass seine Freundin so angegriffen wurde, konnte er nicht zulassen. Also schmiss er sich auf den Mann und begrub ihn unter sich. Der Dieb lag auf dem Bauch im Schlamm und schien im Nachteil. Was Pablo jedoch nicht wusste, er hatte ein Messer in der rechten Hand. Dieses stieß er Pablo fünf Mal in den Körper. Dabei traf er sein Herz, ein Lungenflügel wurde 2 Mal angestochen und weitere Organe wurden getroffen. Als Pablo KO ging, machte sich der Mann aus dem Staub, er hinterliss Fran mit ihrem Freund als leblosen Sack. Zusammen mit einem Bekannten schleppte sie ihn 300 Meter durch das Menschengewühl zum Krankenwagen. Im Krankenhaus angekommen wollte sich dann niemand wirklich um Pablo kümmern. Also lief Fran los um vorbeikommende Ärzte anzusprechen, erst der dritte schaute sich Pablo an. Er steckte seinen Finger in die Schnittwunden und befand, Pablo müsse sofort operiert werden.

Erst am nächsten Mittag bekam die Familie Entwarnung, dass Pablo überleben würde. Die Stunden dazwischen mag man sich nicht vorstellen aber es war mit Sicherheit die längste Nacht ihres Lebens. Für Pablo blieb eine Narbe der OP vom Hals bis über den Bauchnabel hinaus und die Erkenntnis, dass er zehn Minuten später wohl verblutet wäre. Es war ein riesen Glück, dass der Schnitt ins Herz nur recht oberflächlich war, ansonsten wäre jegliche Rettungsversuche aussichtslos gewesen.
Die nächsten Tage setzte sich Angelo mit dem Direktorat der Uni in Verbindung, um sich für die Abschaffung der Ramadas an der Uni einzusetzen. Denn es kam nicht nur zu dem Angriff auf Pablo, man weiß auch sicher von zwei Vergewaltigungen die sich an dem Abend zutrugen. Ausserdem kam es noch zu mehreren Vorfällen an anderen Unis. Tatsächlich bekam er dann auch das Versprechen des Direktors, dass die Veranstaltung nicht mehr stattfinden würde.
Jedenfalls fanden vergangene Woche erneut die Ramadas an der Uni statt. Der Direktor ging letztes Jahr nämlich in Rente und sein Nachfolger wollte das bei den Studenten beliebte Fest nicht unterbinden. Erneut kam es zu Messerstechereien. An einer anderen Uni starb ein 28 Jähriger an den Folgen eines Angriffs mit einem Messer. In der dritten großen Uni haben sie dieses Jahr die Ramadas aufgrund von Vergewaltigungen, zu denen es letztes Jahr kam, verboten. Trotzdem sind die Leute wieder hingegangen und erneut kam es zu Ausschreitungen. Wieder landeten einige Menschen angestochen in Krankenhäusern. So wird es wahrscheinlich in den nächsten Jahren weitergehen. Die Uni hat zwar angekündigt, dass sie die Veranstaltung im nächsten Jahr nicht mehr erlauben wird. Doch dieses Verbot ist bei den Menschen noch nicht angekommen. Auch wenn sie offiziell nicht stattfinden, sie werden wieder auf die Ramadas gehen und es wird wieder Opfer geben. 

Das einzige was uns bleibt, ist Brot zu backen und Obst zu schnippeln, froh zu sein, dass Pablo noch einmal glimpflich davongekommen ist und versuchen den Menschen seine Geschichte zu erzählen.


Fran bepinselt die Brötchen mit Ei



Hmm, lecker